Der Hörsinn ist der Schlüssel zu erfolgreicher Kommunikation, er formt unser Gehirn und viel zu oft wissen wir viel zu wenig darüber. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige zu Schwerhörigkeit, den Ursachen und zum Leben mit Hörverlust.
Was ist Schwerhörigkeit?
Entgegen der landläufigen Vorstellung nimmt man bei einer Hörminderung seine Umgebung nicht lediglich leiser wahr. Je nach Form der Schwerhörigkeit sind das mal bestimmte Frequenzen, die man nicht mehr hört, mal wird der Schall nicht richtig verarbeitet oder weitergeleitet. Und manchmal liegt die Ursache auch im Gehirn. Nachfolgend geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die verschiedenen Formen von Schwerhörigkeit.
1.) Die Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis)
Altersschwerhörigkeit fängt übrigens früher an, als die meisten vermuten. Schon ab dem 30 Lebensjahr können wir kaum noch Frequenzen über 16.000 Hz wahrnehmen. Je älter wir werden, desto niedriger wird diese Obergrenze. Etwa ab dem 40. Lebensjahr liegt sie schon bei 15.000 Hz und Ab 50 nur noch bei 12.000 Hz. So schreitet die Hörminderung mit zunehmendem Alter voran.
Vielleicht kennen Sie das noch von Ihren Großeltern: Der Fernseher war immer viel zu laut eingestellt. Aussagen mussten mehrfach wiederholt werden, bis sie verstanden wurden. Viel haben Probleme, Geräusche wie Vogelzwitschern wahrzunehmen. Das hat damit zu tun, dass sich das menschliche Hörvermögen mit der Zeit abnutzt. Die Lebensspanne vieler Menschen wird immer länger, doch die Hörleistung nimmt mit zunehmendem Alter immer weiter ab. Die Dezibel (db) Bereiche und Frequenzbereiche, in denen beispielsweise menschliche Sprache stattfindet, werden immer schwerer wahrgenommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Körperzellen, können sich die für die Schallverarbeitung wichtigen Haarzellen nämlich nicht regenerieren. Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Bei Knochenbrüchen oder Schnittverletzungen mag das stimmen. Doch das Hörvermögen ist eine Ausnahme. Ist es einmal beschädigt, müssen wir wohl oder übel damit leben.
2.) Schallleitungsschwerhörigkeit
Trifft Schall auf unser Ohr, wird eine Kette an Prozessen ausgelöst, über die der Schall zum Innenohr weitergeleitet und schließlich im Gehirn verarbeitet wird. Diesen Prozess nennt man in Fachkreisen Transduktion (Überleitung). Wird der Schall an einem Punkt dieser Kette nicht richtig weitergeleitet, spricht man von Schallleitungsschwerhörigkeit. Meist ist die Ursache im äußeren Gehörgang oder im Mittelohr zu finden. Ist der Gehörgang beispielsweise durch Cerumen (Ohrenschmalz) oder sogar durch einen Fremdkörper verstopft, wird die Weiterleitung des Schalls behindert. Aber auch Entzündungen, Otosklerose oder ein beschädigtes Trommelfell können die Schallleitung beeinträchtigen. Die Schallleitungsschwerhörigkeit kann also in vielen Fällen behoben werden.
3.) Schallempfindungsschwerhörigkeit
Sie wird auch Innenohrschwerhörigkeit oder sensorineurale Schwerhörigkeit genannt. Die Ursache ist meist in der Cochlea (Hörschnecke) zu finden. Dort sind nämlich die Haarzellen zu Hause. Werden sie beschädigt, werden die Frequenzbereiche, für die sie zuständig sind, nicht mehr so gut verarbeitet und es kommen nur noch bruchstückhafte Informationen im Gehirn an. Schwerhörigkeit ist also eine Art Verschleißerscheinung. Jahrelange permanente Belastung zerstört die Sinneszellen. Möglich ist jedoch auch, dass die Verbindung zwischen Gehirn und Hörnerv beeinträchtigt ist. Damit gehört auch die Altersschwerhörigkeit zur Schallempfindungsschwerhörigkeit. Wird eine Schallempfindungsschwerhörigkeit festgestellt, benötigen Sie ein Hörgerät, um die Hörschwäche ausgleichen zu können.
Die Anordnung der Haarzellen im Innenohr erklärt, warum die meisten Menschen zunächst hohe Töne nicht mehr so gut wahrnehmen können. Die Haarzellen sind so auf der Basilarmembran angeordnet, dass die für hohe Töne zuständigen Haarzellen am Eingang der Hörschnecke sitzen. Da alle Höreindrücke und Töne zunächst dort ankommen, sind diese logischerweise der höchsten Belastung ausgesetzt. In der Regel nimmt das Hörvermögen also von hoch nach tief ab.
Nicht nur das Alter setzt unserem Gehör zu. Auch Stress, Bluthochdruck, Diabetes oder Gefäßerkrankungen tragen zum Verlust unseres Hörvermögens bei. Unsere Lebensweise hat demnach direkten Einfluss darauf, wie gut wir hören. Mangelnde Bewegung, eine ungesunde Ernährung oder Rauchen und Drogenkonsum, aber auch bestimmte Medikamente lassen unseren Hörsinn schneller altern als uns lieb ist. Den wohl größten Einfluss auf unser Hörvermögen hat allerdings der Lärm, dem wir täglich ausgesetzt sind. Obwohl auch zur Schallempfindungsschwerhörigkeit gehörend, kommt der durch Lärm verursachten Schwerhörigkeit eine so hohe Bedeutung zu, dass sie meist gesondert aufgeführt wird.
4.) Lärmschwerhörigkeit
Kennen Sie dieses Gefühl, nach einem Konzert alles wie durch Watte zu hören? Vielleicht ist dieses Gefühl begleitet von einem leichten Ohrenpfeifen. Wenn ja, sind das Ihre Haarzellen, die in dem Moment gerade um ihr Leben kämpfen. Einige werden es wohl nicht überleben. Das Gehör ist nämlich ein bisschen wie ein Muskel. Wird es überstrapaziert, erschlafft es und wird verletzt. Das Problem ist der Unterschied zu Muskelzellen: Sind die Haarzellen einmal beschädigt, können Sie das nicht mehr rückgängig machen. Das kann durch ständige Lärmeinwirkung geschehen.
Sind wir regelmäßig starkem Lärm ausgesetzt, kommt es also zu bleibenden Schäden. Damit ist die Lärmschwerhörigkeit oft auch eine Berufskrankheit, von der besonders Bauarbeiter, Soldaten oder Musiker betroffen sind. Aber auch kurzzeitige starke Lärmbelastungen wie nach dem Konzertbesuch oder bei einem Knalltrauma schädigen das Gehör. All das kann dazu beitragen, dass der natürliche Alterungsprozess des Hörvermögens um ein Vielfaches beschleunigt wird.
Wie alt ist Ihr Gehör?
Unser Alter sagt nicht unbedingt etwas über unser Hörvermögen aus. Wenn es ums Hören geht, sehen wir meistens ganz schön alt aus. Täglich sind wir unterschiedlichsten Schallquellen ausgesetzt: Lautsprecheransagen, Musik oder Verkehr. Gerade in Großstädten ist die Lärmbelästigung besonders hoch. Forscher haben festgestellt, dass die Differenz zwischen biologischem Alter und dem Höralter in vielen Städten weltweit über 10 Jahre beträgt. Dafür muss man noch nicht einmal in die lautesten Städte der Welt (Guangzhou, Kairo, Paris, Peking, Delhi) reisen. Allein in Städten wie Berlin oder Frankfurt liegt das Höralter fast 13 Jahre höher, als es sein sollte. Das bedeutet, dass eine ansonsten gesunde 35-jährige Person ein Gehör hat, als sei sie Mitte 40. Was sind typische Anzeichen für ein nachlassendes Hörvermögen? Wollen Sie herausfinden, wie alt Ihr Gehör ist? Finden Sie es mit der HörApp Mimi heraus.
Was passiert bei Schwerhörigkeit im Gehirn?
Unbehandelte Hörstörungen erhöhen das Risiko, an Demenz zu erkranken um mehr als 300 %. Neben Hörgeräten ist Gehörtraining eine wirksame Gegenmaßnahme. Dabei geht es darum, verkümmerte Gehirnareale wieder zu reaktivieren.
Eigentlich hören wir mit dem Gehirn. Im Ohr kommen lediglich die Rohdaten in Form von Schallwellen an. Diese werden im Innenohr von den Haarzellen in ein kompatibles Format umgewandelt und dann über die Nervenbahnen an das Gehirn weitergeleitet. Dort wird der Höreindruck im auditiven Cortex aufgenommen und anschließend im Hippocampus interpretiert. Erst dort ergibt der Höreindruck einen Sinn. Wir verbinden das Gehörte mit bereits Gelerntem und können darauf reagieren. Funktioniert dieser Mechanismus nicht, weil zum Beispiel die Haarzellen oder der Hörnerv beschädigt sind, dann wendet das Gehirn sehr viel Energie allein dafür auf, dass die Höreindrücke am richtigen Ort ankommen. Das führt dazu, dass Reserven für die Verarbeitung und sonstige Denkaufgaben fehlen. Da Nervenverbindungen verkümmern, lässt Schwerhörigkeit das Gehirn schrumpfen. Eine Folge: Demenz. Unbehandelte Hörstörungen erhöhen das Risiko, an Demenz zu erkranken um mehr als 300 %. Neben Hörgeräten ist Gehörtraining eine wirksame Gegenmaßnahme. Dabei geht es darum, verkümmerte Gehirnareale wieder zu reaktivieren. Je mehr Sie trainieren, desto leichter wird es Ihren Ohren fallen, sich an bestimmte Hörsituationen anzupassen.
Woran erkenne ich, dass ich schwerhörig bin?
Das Gehirn ist ein Meister darin, Defizite aller Art auszugleichen. Deshalb fällt ein Hörverlust auch nicht immer unmittelbar auf. Entfallen einige Haarzellen oder Nervenbahnen für die Schallverarbeitung, können das benachbarte Haarzellen oft sehr gut ausgleichen. Das funktioniert so gut, dass das selbst bei klassischen Hörtests nicht auffällt. Diese Art der Hörschädigung nennt man versteckten Hörverlust. Genau für solche Situationen wurde ein spezieller Test entwickelt. Patienten sollen dabei Wörter verstehen, während ein Störgeräusch im Hintergrund läuft. Je weniger Fehler dabei passieren, desto besser ist Ihr Hörvermögen.
Abgesehen davon gibt es einige sichere Anzeichen dafür, dass Sie von einem Hörverlust betroffen sein könnten:
- Müssen Sie des Öfteren Ihre Gesprächspartner bitten, das gerade Gesagte zu wiederholen?
Oder müssen Sie oft aus dem Kontext erschließen, was der Gegenüber meint? Lösen die Lautstärke des Fernsehers oder der Musikanlage des Öfteren Konflikte aus? Kommt es häufig zu Missverständnissen im Alltag, weil Sie Informationen nicht wahrgenommen haben?
- Sind Sie nach Gesprächen auf einer Party besonders erschöpft? Um einen Hörverlust alleine auszugleichen, muss das Gehirn nämlich ganz schön schuften. Das macht sich bei Ihnen dann durch starke Müdigkeit oder zunehmende Konzentrationsschwäche bemerkbar.
- Können Sie bestimmte Tonbereiche und Geräusche nicht gut hören, beispielsweise hohe Kinderstimmen oder Vogelzwitschern? Dann sind das Anzeichen für eine Hörschwäche im höheren Frequenzbereich.
Machen Sie einen Onlinehörtest wie den auf phonomigo.com. Zwar sind Hörtests im Internet nur begrenzt aussagekräftig, doch für eine erste Einschätzung Ihres Hörvermögens sind sie sehr nützlich — Auch, weil Sie damit ganz entspannt von zu Hause aus Ihr Hörvermögen überprüfen können. Vielen hilft das, die Hemmungen vor dem Gang zum Hörakustiker zu überwinden. Ein professioneller Hörtest beim Hörakustiker schafft Klarheit. Die Fachleute können auch erkennen, was die Ursache Ihrer Schwerhörigkeit ist. Ist es etwa eine Schädigung der Haarzellen, oder funktioniert die Schallübertragung nicht mehr so gut?
Kann ich Schwerhörigkeit vorbeugen?
Wer die Ursachen für einen Hörverlust kennt, kann auch entsprechend vorbeugen. Sich ausreichend zu informieren, ist der erste Schritt, seine Ohren zu schützen. Starke Lärmquellen zu vermeiden, Gehörschutz und regelmäßige Hörtests sind die Zutaten der Anti-Aging-Kur für unsere Ohren. Sollte sich eines oder sogar beide Ohren anders anfühlen, zögern Sie nicht, einen Arzt aufzusuchen. Das Gehör ist kostbar! Schützen Sie es.
Das Coming-out: Stehen Sie zu Ihrer Schwerhörigkeit!
Menschen tun so so ziemlich alles, um jung zu bleiben: Sport, Yoga, strikte Ernährung und die Verwendung aller Arten von Pflegeprodukten. Doch das Ohr bleibt dabei oft auf der Strecke. Dabei ist es so wichtig für unser tägliches Leben, ja für unser ganzes Wesen. Stehen Sie daher zu Ihrer Schwerhörigkeit. Zeigen Sie, dass Sie gesundheitsbewusst leben und Ihnen Ihr Gehör etwas wert ist. Sie haben nur eines.