Akustische Sinnestäuschungen – Was sie über das Gehör aussagen

Wie stark vertrauen Sie Ihren Sinnen? Dank ihnen können wir uns im Alltag frei bewegen. Dennoch gibt es Sinnestäuschungen. Ein Beispiel ist die Fata Morgana. Es gibt aber auch ähnliche hörbare Phänomene. Dieser Artikel berichtet über spannende akustische Sinnestäuschungen.

Treppenhaus in Altbau

Schallereignisse sind schnelle Abfolgen von Luftdruckschwankungen. Vom Eintreffen einer Schallwelle an der Ohrmuschel bis zu unserem Bewusstsein durchläuft die Toninformation mehrere Schnittstellen mit verschiedenen Filterfunktionen. Wir nehmen Geräusche sehr selektiv war. Nur so funktioniert unser Hörapparat überhaupt innerhalb eines Umfelds mit vielen akustischen Reizen. Genau dieser Mechanismus kann jedoch leicht ausgetrickst werden. Unsere Ohren sind nicht so objektiv, wie wir vielleicht denken, da unser Gehirn das Gehörte stets individuell interpretiert.

Akustische Sinnestäuschungen in der Praxis

Haben Sie schon mal von dem McGurk-Effekt gehört? Diese akustische Illusion entsteht aus einer audiovisuellen Täuschung. Also eine starke Beeinflussung des Hörens durch eine zeitgleiche visuelle Beobachtung. Im Versuchsaufbau sehen die Probanden ein Video, in dem eine Person deutlich sichtbar die Silben „ga-ga-ga“ ausspricht. In Wirklichkeit hören die Testpersonen jedoch die Silben „ba-ba-ba“. Tatsächlich geben 98 % der Versuchspersonen an, ein deutliches „da-da-da“ gehört zu haben.

Dieser Versuch macht deutlich, dass das Gehirn bemüht ist, stets alle Sinne zur Deutung eines Tonsignals zu nutzen. Man könnte es auch so formulieren: Das Auge hört mit. In diesem konkreten Fall schlägt uns der durch Erfahrung eingeprägte Zusammenhang zwischen Lippenbewegungen und Lauten ein Schnippchen und täuscht uns die vermeintliche Realität vor.

Ebenso faszinierend ist die Fehleranfälligkeit beim Orten einer Schallquelle in Verbindung mit einem visuellen Ereignis. Stellen Sie sich dafür ein Computerdisplay vor, auf dem abwechselnd oben rechts und unten links ein Lichtpunkt aufleuchtet. Synchron zum Blinken ertönt ein Piepton. Obschon der Piepton immer aus demselben Lautsprecher am Display kommt, gaukelt das Gehirn dem Probanden einen wandernden Ton vor. Wird der Ton dann schneller, versucht das Gehirn die verloren gegangene Synchronität wiederherzustellen, sodass man sich ein ebenso schnelleres Blinken einbildet.

Illustration des Shepard Effekts.
Die „Shepard Skala“ erklärt eine akustische Täuschung von scheinbar unendlich ansteigenden Tonfolgen. © stock.adobe.com / #214282460 / Peter Hermes Furian

Vielleicht haben Sie ja auch schon mal von der bekannten „Shepard Skala“ gehört, der scheinbar unendlich ansteigenden Tonfolge. Im Versuch wird immer die gleiche Tonleiter abgespielt. Die zeitlich versetzte An- und Absenkung der Lautstärke einzelner Töne erzeugt jedoch den Eindruck eines nie endenden tonalen Anstiegs.

Hier weitere akustische Sinnestäuschungen, die Sie im Internet recherchieren können:

  • Oktave-Illusion
  • Mysteriöse Melodie
  • Franssen-Effekt
  • Verdeckung von Tönen

Der Einfluss von Sprache und Kultur

Besonders interessant ist unser Verständnis vom Hören, wenn man die Empfindlichkeit zur Wahrnehmung von Tönen bei Personen unterschiedlicher kultureller und sprachlicher Herkunft betrachtet. Zum Beispiel spricht ein Südengländer prinzipiell in einer höheren Tonlage als ein Kalifornier, was wiederum starken Einfluss auf die Erkennung bestimmter Tonhöhen hat, obwohl beide dieselbe Sprache sprechen. Wenn Sie schon einmal versucht haben, eine tonale Sprache wie Chinesisch oder Vietnamesisch zu lernen, wissen Sie nur allzu gut, was gemeint ist. Ein erlernter Dialekt sowie konditionierte Sprachmuster und Sprachmelodien in der Kindheit haben maßgeblichen Einfluss auf die individuelle Entwicklung des Hörens.

Wie stark unsere Erwartungshaltung die Wahrnehmung manipuliert, kennt fast jeder aus Situationen im Alltag. Wenn wir auf einen dringenden Anruf warten, meinen wir, das Klingeln unseres Handys gehört zu haben, was aber in Wirklichkeit ein ähnlicher Klang im unmittelbaren Umfeld war. Besonders in einer akustisch überreizten Umgebung, ist die Selektionsstärke des Hörens zusätzlich gesteigert. Nehmen wir zur Verdeutlichung das Personal in einem Operationssaal, was von einer Vielzahl von piependen Geräten umgeben ist. Nicht selten nehmen Chirurgen unter großer Anspannung eine akustische Fata Morgana wahr, also zum Beispiel Warntöne, die eigentlich nicht zu hören waren.

Ein Sonderfall der akustischen Sinnestäuschung

Eine unangenehme akustische Illusion stellt der Tinnitus dar. Dabei hören Betroffene ebenfalls Phantomgeräusche, die keine reale Quelle haben. Auslöser für dieses Symptom kann unter anderem andauernder Stress sein. Auch eine kurz- oder langfristige Überbelastung des Gehörs mag eine Ursache für dieses unangenehme Geräusch sein. Die Therapie bei Tinnitus ist je nach Ursache unterschiedlich.

Da rund die Hälfte der Betroffenen zusätzlich unter einer Schwerhörigkeit leidet, eignen sich in vielen Fällen Hörgeräte mit einem integrierten Tinnitus Noiser. Dabei erzeugt das Hörgerät ein spezifisches Gegengeräusch, welches von den eigentlichen Geräuschen ablenkt. In der Folge stuft das Gehirn die Tinnitusgeräusche nach und nach als unerheblich ein und blendet diese aus.

Suchen Sie bei anhaltenden Symptomen, die auf einen Tinnitus hindeuten, unbedingt einen Arzt auf oder halten Sie Rücksprache mit einem Hörakustiker in Ihrer Nähe. Dieser führt auf Wunsch eine Tinnitusanalyse sowie einen Hörtest durch, anhand dessen Ihnen passende Gegenmaßnahmen empfohlen werden können.