Da sich Hörminderungen meist schleichend einstellen und unser Gehirn versucht, Hörschwächen selbständig zu kompensieren, bemerken wir sie häufig erst sehr spät, was eine mögliche Korrektur mit natürlichen Mitteln erschwert. Ein Hörtest bei einem HNO-Arzt oder bei einem Hörakustiker tut nicht weh, kann hier und da sogar zu Erfolgserlebnissen verhelfen, und er kann im Falle von Hörminderungen Erkenntnisse über wichtige Zusammenhänge vermitteln.
Schallwellen können wir hören, aber nicht sehen
Einzelne Töne oder komplex zusammengesetzte Geräusche können wir nicht sehen, wohl aber hören. Hörbarer Schall besteht aus Luftdruckschwingungen in einem breiten Frequenzbereich von etwa 16 bis 20.000 Schwingungen pro Sekunde (Hz). Wie schafft es unser Gehör, die nicht sichtbaren Schwingungen akustisch wahrzunehmen? Ohrmuschel und Gehörgang leiten Schallwellen zum Trommelfell. Zunächst geht es nur um reine Mechanik. Die Druckschwingungen versetzen das Trommelfell entsprechend ihrer Tonhöhe in Vibrationen, die vom Trommelfell mechanisch auf die Gehörknöchelchen im Mittelohr übertragen werden. Die vibrierenden Gehörknöchelchen übertragen ihre Vibrationen mechanisch auf das ovale Fenster. Es stellt die Verbindung zur Hörschnecke (Cochlea) im Innenohr her. Erst in der Hörschnecke findet die entscheidende Transformation der mechanischen Schwingungen in Nervenimpulse statt, die über den Hörnerv ins Gehirn geleitet werden.
Was beinhaltet ein Hörtest?
Die Umwandlung der nicht sichtbaren Schallwellen in Höreindrücke setzt voraus, dass alle mechanischen Komponenten und die Umwandlung in nervliche Impulse sowie deren Weiterleitung und Verarbeitung im Gehirn funktionieren. Die Evolution hat in hunderten von Millionen Jahren unser Hörvermögen entwickelt, verfeinert und auf unsere menschlichen Bedürfnisse abgestimmt. Ein test des Hörvermögens kann Aufschluss darüber geben, ob alle Glieder in der Kette normal funktionieren oder an welcher Stelle eventuell eine Störung vorliegt. Um das herausfinden zu können, gibt es einfache Untersuchungen mit erstaunlich guter Aussagekraft:
- Hörweitenprüfung (Flüstertest)
- Weber-Versuch (Stimmgabeltest)
- Rinne-Versuch (Stimmgabeltest)
- Audiogramm (Hörschwellenmessung für Luft- und Knochenschall)
Die Hörweitenprüfung ist ein definiertes Verfahren, in dem der Hörakustiker oder HNO-Arzt in unterschiedlichen Entfernungen bis zu acht Metern viersilbige Zahlen flüstert oder in normaler Zimmerlautstärke spricht. Das Flüstern testet sozusagen das Hörvermögen im hohen Frequenzbereich und das Sprechen in Zimmerlautstärke den tiefen Frequenzbereich. Falls Sie die geflüsterten Zahlen aus einer Distanz mit sechs bis acht Metern verstehen, ist Ihr Hörvermögen normal.
Was ist der Unterschied zwischen Schallleitungsstörung und Schallempfindungsstörung?
Der Nutzen des kombinierten Stimmgabeltests nach Weber und nach Rinne liegt in der Erkenntnis, ob es im Fall einer Hörminderung ein Problem mit der Schallweiterleitung im Gehörgang oder im Mittelohr gibt oder ob es sich um ein Schallempfindungsproblem handelt. Ein Schallempfindungsproblem deutet darauf hin, dass die Umwandlung der mechanischen Schwingungen in nervliche Impulse in der Cochlea im Innenohr nicht richtig funktioniert oder dass die erzeugten nervlichen Impulse nicht mit der notwendigen Stärke ins Gehirn gelangen.
Im sogenannten Rinne-Versuch wird der Fuß einer schwingenden Stimmgabel auf die Mitte des Schädels gehalten. Der Ton sollte dann rechts und links mit gleicher Lautstärke gehört werden. Falls der Ton beispielsweise rechts lauter gehört wird, liegt im linken Ohr ein Schallleitungsproblem im Gehörgang oder im Mittelohr vor und umgekehrt. Um die Schlussfolgerung abzusichern, wird anschließend der Weber-Versuch an dem Ohr durchgeführt, an dem das Schallleitungsproblem vermutet wird. Die Stimmgabel wird wieder angerissen und mit dem Fuß auf den Knochen direkt hinter dem Ohr gesetzt. Der Ton sollte jetzt – weil es sich um Knochenschall handelt – trotz vermuteter Hörminderung gut hörbar sein. Wenn die Schwingung der Stimmgabel so weit abgeklungen ist, dass sie nicht mehr hörbar ist, wird sie mit den noch schwingenden Zinken direkt vor den Eingang des Gehörgangs gehalten. Wenn der Ton jetzt ebenfalls nicht gehört wird, erhärtet das den Verdacht eines Schallleitungsproblems. Sollte die Stimmgabel jetzt wieder vernehmbar sein, liegt kein Schallleitungsproblem vor. Ein wenig aufwändiger, aber auch enorm aussagekräftig ist das Tonaudiogramm, das ebenfalls ein Hörakustiker oder ein HNO-Arzt durchführen kann.
Wie wird ein Tonaudiogramm erstellt und was sagt es aus?
Für die Erstellung eines Tonaudiogramms, auch Hörkurve genannt, wird ein Gerät benötigt, das für das linke und das rechte Ohr über Kopfhörer Töne bestimmter Frequenz über das gesamte Hörspektrum von etwa 16 Hz bis 16.000 Hz mit regelbarer Lautstärke (Schalldruck) erzeugen kann. In einem Audiogramm wird für jede eingespielte Frequenz für jedes Ohr separat die Mindestlautstärke (Hörschwelle) grafisch aufgetragen und die Punkte anschließend miteinander verbunden, so dass sich eine charakteristische Kurve ergibt. Das gleiche Verfahren wird auch mit speziellen Mikrofonen, die Knochenschall übertragen, durchgeführt –ähnlich wie eine aufgesetzte Stimmgabel. In der Regel findet der Test in einer schalldichten Kabine statt, damit keine Fremdgeräusche stören. Sie werden beispielsweise gebeten, sobald Sie den eingespielten Ton hören, einen Knopf zu drücken oder ein vorher vereinbartes anderes Zeichen zu geben. Die Hörkurve lässt sich sehr einfach mit der fiktiven Hörkurve eines gehörgesunden jungen Menschen vergleichen, die als waagerechte Linie als Null-Abweichung über den gesamten Frequenzbereich eingetragen ist. Aus dem Verlauf der Hörkurve lässt sich ablesen, ob auf dem rechten oder linken Ohr eine Hörminderung vorliegt und wenn ja, ob die Hörminderung durch ein Schallleitungsproblem im Mittelohr oder durch ein Schallempfindungsproblem im Innenohr verursacht wird.